Fla-Sfl ZSU-23-4 "Shilka"

Entwicklung:

Am 17. April 1957 fasste der Ministerrat der UdSSR den Beschluss zur Entwicklung der Fla-SFL "Shilka" (später ZSU-23-4) und "Jennissej" (später ZSU-37-2) als Ablösung für die 37mm Flak M1939, die 14,5 mm Fla-MG ZPU-4 und die 57 mm Fla-Sfl ZSU 57-2. Dabei sollte die "Shilka" in den Fla-Einheiten der Mot.-Schützenregimenter und die "Jenissej" in denen der Panzerregimenter zum Einsatz kommen. Allein für die Sowjetarmee wurde für den Zeitraum, von 1963 bis 1965 von einem Bedarf von 850 ZSU23-4 und 450 ZSU 37-2 ausgegangen.  

An der Entwicklung der Shilka waren folgende Konstruktionsbüros beteiligt: 

Gesamtsystem OA LOMO (Leningrad)
Basisfahrzeug GM 575 : OKB-40
Funmeßfeuerleitgerät "Tobol":  OKB 357 und OKB 658
Bewaffnung:  ZKB-14und OKB 575
Gasturbine D4: NAMI

Im Dezember 1960 wurde das erste Erprobungsexemplar fertiggestellt. Die Werkserprobung erfolgte vom Dezember 1960 bis zum August 1961, der unmittelbar die staatliche Erprobung auf dem Donkusker Polygon (Gebiet Orenburg) und dem Panzererprobungsgelände von Kubinka. Während der Erprobung wurden mit dem Erprobungsgerät 14.194 Schuß abgefeuert, 1.490 km zurückgelegt und 172 Stunden Gefechtsarbeit mit dem Funkmeßfeuerleitgerät durchgeführt. Parallel erfolgte die Entwicklung und Erprobung der ZSU-37-2.

Im Ergebnis empfahl die Kommission jedoch trotz günstiger Erprobungsergebnisse nur die Shilka sowohl in den Mot.-Schützen und Panzerregimentern einzuführen. Ausschlaggebend dürfte die Tatsach gewesen sein, dass Punktzielangriffe zu diesem Zeitpunkt ausschließlich mit ungelenkten Bomben und Raketen im Tiefflug erfolgten. Im Bereich bis 1.500 m hatte sich die Shilka deutlich effektiver als die Jenissej erwiesen. Außerdem war bereits das Fla-Raketensystem "Strela-1" in Auftrag gegebn worden, dass die Shilka ergänzen und die Jenissej ersetzen konnte. Am 5. September 1962 wurde daher durch dem Ministerrat der UdSSR die Serienproduktion der "Shilka" beschlossen. Die Überführung in die Serienproduktion dauerte bis 1964. In diesem Jahr wurden die ersten 40 "Shilkas" ausgeliefert. Ende der 60-er Jahre betrug die Jahresproduktion bereits 300 Stück. 

1962 gab es bereits Überlegungen die Shilka mit einer 30mm Zwillingskanone NN-30, die auch in den Geschütztürmen AK230 (Zwilling) und AK-630 (6-fach Revolvergeschütz) auf sowjetischen Kriegsschiffen eingesetzt wurden, auszurüsten. Diese Projekte ließen sich nicht umsetzen, führten jedoch im weiteren zur Entwicklung der 30mm MK 2A38. Versuchsweise wurde diese Waffe auch in die "Shilka" eingebaut. Inzwischen war jedoch die Idee eines kombinierten Fla-Artillerie-Raketenkomplexes entwickelt worden, so dass 1970 die Entscheidung durch den Ministerrat der UdSSR die Entscheidung getroffen wurde, ein völlig neues System, die "Tunguska" zu entwickeln. diese Entwicklung dauerte fast 12 Jahre. Mit dem Beschluss zur Überführung der 2K22/2S6 "Tunguska" in die Serienproduktion endete 1982 die Produktion der "Shilka".

Versionen:

1962  ZSU-23-4, in der NVA auch als ZSU-23-4 "0" bezeichnet 
1968  ZSU-23-4W Komandeurspult mit verschiedenen Anzeigeeinrichtungen zur  Kontrolle Zuverlässigkeit der Systeme 
1970  ZSU-23-4W1 modernisiertes Rechengerät, das die automatische Zielbegleitung bei einer Fahrzeuggeschwindigkeit von bis zu 40 km/h gewährleistet (vorher 20 km/h)
1973 ZSU-23-4M Modernisierung des Waffensystems zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Stabilität, der Verlängerung der technischen Nutzungsdauer. U.a. wurde die pneumatischen Ladeeinrichtung komplett überarbeitet, Erhöhung der Feuergeschwindigkeit von 3.500 auf 4.500 Schuß/ min, verändertes Kommandantenpult
  ZSU-23-4M1
1977 ZSU-23-4M3 (3. Generation) Ausrüstung mit dem Kennungsgerät "Luk". Im Zuge der Hauptinstandsetzung wurden alle ZSU-23-4M auf den Status M3 gebracht. 1982 endete die Serienproduktion  
1979 Speziell für den Einsatz in Afghanistan entstand eine Version, die nachträglich als ZSU-23-4M2 bezeichnet wurde. Dabei handelte es sich aber im Wesentlichen um die Umrüstung älterer Shilkas. Diese Version war in erster Linie zur Bekämpfung von Erdzielen im Gebirge vorgesehen und wurde daher ohne Funkmeßfeuerleitgerät gebaut. Dafür war diese Version mit einem speziellen Nachtsichtvisier für den Erdziele ausgerüstet. Die praktische Feuergeschwindigkeit betrug 3.000 Schuß/min.  
  ZSU-23-4M4 modernisierte Version der Shilka aus Belorussland mit Funkmeßfeuerleitgerät
  ZSU-23-4M5 modernisierte Version der Shilka aus Belorussland mit opto-elektronischem Feuerleitgerät
  "Donezk" modernisierte Version der "Shilka" aus der Ukraine, Funkmeßeuerleitgerät und zusätzlich FR kleiner Reichweite "Igla" 
  ZSU-23-4MP modernisierte Version der "Shilka" aus Polen mit opto-elektronischem Feuerleitgerät und FR kleiner Reichweite "GROM"

Einsatzländer, militärischer Einsatz:

Insgesamt wird die Shilka in 39 Ländern eingesetzt ua. in: Afghanistan, Algerien, Ägypten (118), Belorussland, Bulgarien, DDR (128), Griechenland, Indien (>100), Irak, Kuba, Mongolei, Peru, Polen, Rumänien, Russland, Slowakei, Syrien (>400), Ungarn, Ukraine, Vietnam 

Der erste Einsatz der Shilka erfolgte in Vietnam. Dort wurde sie vor allem zum Schutz von Brücken oder zur Deckung der S-75 Fla-Raketenstellungen eingesetzt und waren bei den US-Piloten wegen ihrer Feuerdichte gefürchtet. 

Bild1: Vietnamesische Fla-Sfl-Batterie während der Offensive gegen Saigon 1975  

Im Chinesisch-sowjetischen Grenzkonflikt am Ussuri 1968 wurde die "Shilka" durch die Sowjetarmee erfolgreich gegen chinesische Bodentruppen eingesetzt. 
1970 Einsatz am Suez Kanal gemeinsam mit S-125 , Einsatz durch sowjetische Militärspezialisten, denen es gelang mehrere israelische Mirage III und F-4E Phantom II abzuschießen. Allein am ersten Einsatztag, dem 30.9.1970 konnten mit 7 israelische Flugzeuge (davon 5 mit S-125) abgeschossen werden.
Oktober 1973 - Im sogenannten 7-Tage Krieg setzten Ägypten und Syrien "Shilkas" sowohl zur direkten Deckung der Linieneinheiten, aber auch zur Deckung von Fla-Raketenbatterien und durch die syrischen Armee im Bestand von Fla-Abteilungen zur Deckung von Panzerbataillonen ein. Dabei zeichneten sie sich durch eine hohe Effektivität bei der Abwehr israelischer Luftangriffein aus geringen Höhen aus. Von 98* durch die Luftabwehr Syriens abgeschossenen Kampfflugzeugen entfielen 11 auf die "Shilka". Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein Teil der Abschüsse durch Fla-Raketenkomplexe möglich wurde, weil ein Unterfliegen des Radars dieser Komplexe durch massives Feuer der "Shilkas" verhindert wurde. 

*) In dieser Zahl sind alle "hits" berücksichtigt, d.h. auch Maschinen, die beschädigt zur Basis zurückkehren mussten und zum Teil wieder einsatzbereit gemacht werden konnten. 

1974- Während des sich anschließenden syrisch-israelischen Konflikts im Jahr 1974 wurden von 19 vernichteten israelischen Kampfflugzeugen 5 durch Shilkas abgeschossen.

Syrische "Shilkas" im Bestand der im Libanon stationierten arabischen Sicherheitsstreitkräfte 

1975 wurde durch Ägypten neben der kompletten Dokumentation für die eingesetzten sowjetischen Funkmessstationen und Fla-Raketensysteme auch die Dokumentation der "Shilka" an die USA übergeben.
1982 Luftschlacht in der Bekaa-Ebene. Im Zuge der Operation der Israelis zur Liquidierung der PLO im Libanon sollte Syrien gehindert werden zugunsten der PLO einzugreifen. Deshalb bestand das Ziel die Syrische Luftverteidigung im Libanon auszuschalten. Nachdem es Israel gelungen war, das syrische Informations- und Lagezentrum im Shouf-Gebirge zu liquidieren entwickelte sich eine für Syrien extrem verlustreiche Luftschlacht. Israel reklamiert für sich den Abschuß von 92 syrischen Maschinen und Vernichtung von mehr als 40 SAM-Stellungen bei 3 eigenen Verlusten. Syrien bestätigt den Verlust von 60 Maschinen, weniger als 30 SAM-Stellungen bei 19 Abschüssen. In jedem Fall gelang es Israel jedoch die bodengestützte Luftabwehr einschließlich der "Shilkas" unter Nutzung von Funkmeßstörungen, Scheinanflügen und Drohnen effektiv niederzuhalten.
1983 Intervention der USA, und Frankreichs zugunsten der Falanghisten im Libanon. Die Militäraktion richtet sich gegen die PLO, drusische Milizen, Syrien und die durch den Iran unterstützten shiitischen Milizen und war von einer Reihe von Luftschlägen begleitet. Zu deren Abwehr wurden verschiedene Flak- und Fla-Raketensysteme verwendet, so dass eine eindeutige Zuordnung nicht möglich erscheint.  
17. 9.1983 zwei Hawker "Hunter" der libanesischen Luftwaffe durch Flak, zumindest eine davon durch eine "Shilka"
19. 9.1983  leichter britischer Aufklärer SRS-126 durch "Shilka"
19.9.1983  eine F-8E "Crusander ( Bruchlandung nach Flaktreffern auf dem Flugzeugträger Clemenceau).
10.11.1983  eine französische Super Etendart (Bruchlandung) nach Treffer von Strela 2
16.11.1983 eine israelische Kfir C.2
4. 12. 1983  zwei A-6E "Intruder", eine A7E "Corsair" der USN*

* Syrien reklamiert insgesamt am 4. Dezember 1983 12 USN-Flugzeuge mit den beiden von der UdSSR gelieferten S-200 über dem Mittelmeer und Libanon vernichtet zu haben, darunter zwei F-14, eine E-2C "Hawkeye", der Rest A6 und A7. Seitens der USN gibt es diesbezüglich keine Informationen.  

1984 bis 1989 Angola Einsatz der Shilka auf der Seite der kubanischen Einheiten in Angola gegen die UNITA und die südafrikanische Luftwaffe. Am 20. Februar 1988 Abschuss einer Mirage F.1AZ (SAAF-245 Mj. Edward R. Every) durch eine kubanische Shilka.
1979 -1988 In Afghanistan wurde die "Shilka" zum Schutz von Konvois und zum Kampf gegen befestigte Bergstellungen eingesetzt. Konvois, die von "Shilkas" begleitet wurden, waren sowohl gegen Angriffe aus befestigten Hinterhalten, Bergstellungen oder leicht gepanzerten Fahrzeugen wirkungsvoll gedeckt. Sie war bei den Muhashedin gefürchtet und erhielt den Beinamen Sheitan-arba (Teufelswerk).
1990 Während der Operation "Wüstensturm" gegen den Irak wurde der überwiegende Teil der Luftangriffsmittel weit über einer Höhe von 1.300m und damit außerhalb der Reichweite der "Shilka" eingesetzt. In geringen Höhen operierten fast ausschließlich A-10A Thunderbolt II und Kampfhubschrauber AH-64. Mehrfach wurden durch Shilkas die in geringen Höhen operierenden A-10 aufgefasst und beschossen. Doch auf größere Distanz erwies sich die A10 als zu beschussfest. Zudem hatten die Bewaffnung der A-10 (30mm Gatling mit Uran-Munition), wie auch der AH-64 (PALR Hellfire) eine größere Reichweite, so dass die "Shilkas" gegen beide Systeme chancenlos waren.  
2002 Angriff der USA auf Afghanistan. "Shilkas waren sowohl auf der Seite der Nordallianz als auch der Regierungstruppen der Taliban im Einsatz, doch vor allem gegen Erdziele. Wie so oft im afghanischen Bürgerkrieg wechselten die Regierungstruppen schnell die Seiten. So wurden die durch die UdSSR an Afghanistan gelieferten "Shilkas" erst gegen die Mudshahedins, dann durch diese gegen die Sowjetarmee und schließlich durch die Taliban eingesetzt. Inzwischen sind sie im Bestand der jetzigen afghanischen Streitkräfte gelandet. 
2003 Angriff der USA und Großbritanniens auf Irak. Der Irak wird innerhalb eines Monats besetzt. Wirksamste Luftabwehrwaffe der Iraker ist die RPG-7 mit der es gelingt, mehrere AH-64 und UH-60 abzuschießen. Über Einsätze und Erfolge der noch verfügbaren "Shilkas" ist nichts bekannt. 

Ralf Wagner, 12/2004

Quellen

www Internetseite von Said Aminow zur "Shilka" (russisch)
www North Vietnamese Army Armored Forces: ZSU-23-4 "Shilka" (englisch)
Anatoli Dokutschajew "Shilka - Einsatz in 39 Ländern", Utschitelnaja Gazeta" Nr.17; 22.4.2003
www Internetseite von Sergej Tschitschikow zur Offiziersschule Baranow (russisch)
www Internetseite zum Einsatz kubanischer Freiwilliger in Angola, speziell MiG-23 (spanisch)
www Seite "Radioelektronnaja Woijna" zur Luftschlacht über der Bekaa-Ebene 1982 (russ.)
www "Disaster in Lebanon: US and French Operations in 1983" von Tom Cooper & Eric L Palmer, 2003 auf ACIG.org (engl.)
www JED - Site (engl.)