Kurze Entwicklung der russischen Flak....(Teil 1) Entwicklung von 76,2 mm-Flakgeschützen bis zur Oktoberrevolution Am Vorabend des Ersten Weltkriegs steckte die Flugzeugentwicklung noch in den Kinderschuhen. Militärisch wurde den Flugzeugen nicht viel zugetraut, am ehesten hielt man sie für Aufklärungszwecke geeignet. Dagegen hielten die Militärs des kaiserlichen Heeres Starrluftschiffe für ein geeignetes Mittel den Krieg aus der Luft zu führen, insbesondere auch für den Einsatz von Bomben. 1910 veröffentlichte der englische Marineschriftsteller F.T. Jane die erste Übersicht über die Luftflotten der Welt und die nahm sich noch sehr bescheiden aus. Demnach verfügten 1910 nur 9 Staaten über Luftflotten mit insgesamt 28 Luftschiffen und 58 Flugzeugen. Dabei verfügte Frankreich über die größte Anzahl von Flugzeugen, wogegen Deutschland führend im Luftschiffbau war. Immerhin setzte Italien 1911
erstmalig im Italienisch – Türkischen Krieg zunächst 5 später
bis zu 20 Flugzeuge in Libyen ein. Zunächst auf Aufklärungseinsätze
beschränkt, wurden später auch kleine Kali-Nitrat Bomben gegen die
türkischen Truppen aus 300-500 m abgeworfen. Der erste derartige Einsatz fand wahrscheinlich am
1. November 1911 statt. Aufgrund der geringen Nutzlast der
eingesetzten Maschinen vom Typ Rumpler „Taube“ waren die
Ergebnisse eher enttäuschend und bestärkten die deutschen
kaiserlichen Militärs in der Annahme, dass eher das Luftschiff als
Kampfmittel zu gebrauchen sei. Auch für die Luftaufklärung war der
Wert dieser Maschinen begrenzt, da die Piloten überwiegend damit
beschäftigt waren, ihre Flugapparate überhaupt in der Luft zu
halten. Viele Flugzeuge gingen nach wenigen Einsätzen zu Bruch –
und da setzte man doch eher wieder auf Fesselballons. Doch mit
zunehmender Sicherheit der Flugapparate wurden diese vermehrt in den
Streitkräften der wichtigsten Länder eingeführt und wurden so zu einer ernstzunehmenden
Bedrohung. In Russland wurden Ende des 19.
Jahrhunderts die ersten Tests zur Bekämpfung von Luftzielen
durchgeführt. Dazu erfolgte am 13. Juli 1890 ein erfolgreiches
Schießen auf Fesselballons im Ust-Ischora Lager und im folgenden
Jahr in Krasnaja Poljana. In den Jahren 1908 und 1909 erfolgten in
der Nähe von Luga Versuchsschießen mit Drei Zoll Geschützen obr.
1900 und 1902 auf Ballons, die von Pferden gezogen wurden. 1901 stellte M.F. Rosenberg, ein junger Militär-Ingenieur,
einen Entwurf für eine 57-mm-Flak vor. Allerdings wurde von vielen
führenden Militärs die Schaffung einer spezieller Fla-Waffe zu
jener Zeit als noch nicht erforderlich angesehen und das Projekt
wurde abgelehnt. Daraufhin wurden jedoch nur durch Krupp und Ehrhardt und Erhardt Dokumentationen eingesendet, ohne aber die Waffen zur Verfügung zu stellen, die anderen angeschriebenen Unternehmen reagierten nicht oder lehnten ab. Das sorgte beim Artillerieausschuss jedoch nicht zu übermäßiger Beunruhigung, denn eigentlich waren die Offiziere des Ausschusses ohnehin der Meinung, dass Luftziele mit den im Einsatz stehenden 3-Zoll-Geschützen erfolgreich bekämpft werden könnten. Die Reichweite der 3-Zoll-Splittergeschossen betrug fünf Meilen und bei einem Höhenwinkel von 16 Grad müsste doch ein Luftziel, dass in einer Höhe von 1 Meile fliegt, in einer Entfernung von ca. 2,5 km zu vernichten sein. Ein 1913 durchgeführtes Testschießen mit einer einer 3-Zoll-Haubitze (L/48) Modell 1909 auf ein Luftschiff verlief einigermaßen zufriedenstellend, so dass man seitens der Artilleriekommission keine Veranlassung sah, die Entwicklung spezieller Flugabwehrgeschütze zu forcieren. So wurde auch die 1913 vom Ingenieur Tarnowskij entwickelte 76-mm-Flak von der Artilleriekommission des Zaren ignoriert. Tarnowski wendete sich deshalb mit seiner Idee an die Putilow-Werke. Dort wurde Ingenieur Lender beauftragt gemeinsam mit Tarnowskij das Geschütz zu überarbeiten. In der Tat, die modern ausgelegte 3 Zoll Divisionskanone M1902 schien in Russland die Lösung auf viele artilleristische Fragestellungen jener Zeit zu sein. Mit einer Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse von 588 m/s, einer Reichweite von 6,5 km und einer Feuergeschwindigkeit von ca. 12 Schuß/ Minute war sie der deutschen 7,7 cm FK M1896 und der französischen 75mm FK M1897 ebenbürtig, bzw. in einzelnen Werten überlegen.
Mit
Beginn des Ersten Weltkrieges gab es in der russischen Armee 263, in
deutschen 232 und in den französischen Streitkräften 156
Flugzeuge. Nach Kriegsausbruch zeigte sich schnell , dass die Idee
76-mm Feldkanonen Kanonen mit maximaler Rohrerhöhung gegen
Luftziele in Höhen von bis zu 1,5 km einsetzen zu können, nicht
praktikabel waren. Flughöhen und Geschwindigkeiten hatten sich mit
Beginn des Krieges rasant entwickelt. НZu
Beginn des Krieges wurden von den meissten Flugzeugtypen
Fluggeschwindigkeiten von 80-100 km/h, eine Gipfelhöhe vom 2,5-3
km, eine Flugdauer von 2-3 Stunden und Nutzlasten von 500 kg
erreicht. Bis zum Ende des Krieges erhöhte sich die
Fluggeschwindigkeit auf 180-200 km/h, wurden Gipfelhöhen bis zu
4,5-7 km erreicht, die Flugdauer konnte bis zu 4-5 h, bei einigen
Typen sogar bis zu 7-10 h betragen. Darüber hinaus hatte sich die
Nutzlast fast verdoppelt und erreichte 1000kg. Fast alle Bomber und
Aufklärer waren mit Maschinengewehren bewaffnet, durch die wirksam
das Feuer gegen Bodenziele aus Höhen bis zu 600 m geführt werden
konnte. Für Tiefflugangriffe auf die gegnerische
Infanterie wurde in der Regel Gruppen von drei Flugzeugen, die mit
bis zu vier Maschinengewehre bewaffnet waren im, Tiefflug
eingesetzt. Dabei war die Effektivität bei niedrigeren Höhen
deutlich höher. Bei einem Angriff aus einer Höhe von 200-300
Metern rechnete man mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 15-20% ,
dagegen beim Angriff aus 100-150 m mit 30-35%. Am effektivsten
konnte das MG-Feuer war aus einer Höhe von 15-50 m geführt werden.
Bombenangriffe wurden in der Regel aus einer Höhe von 600 bis 3.000
m durchgeführt. Deshalb mussten neue Möglichkeiten gefunden werden um die Erhöhungswinkel und den Seitenrichtbereich der Geschütze zu vergrößern. Um mit den 76-mm Feldkanonen Luftziele bekämpfen zu können, wurden verschiedene Behelfslösungen entwickelt, um den geringen Erhöhungswinkel dieser Geschütze auszugleichen. Eine der ersten Lösungen waren sogenannte Grubenbettungen. Für diese Bettung musste eine spezielle Grube für das Geschütz ausgehoben werden. Am Rand der Grube wurde ein Ring installiert, das Geschütz wurde auf einer speziellen Holzkonstruktion verlastet, die auf dem Ring gelagert ist und mit der das seitliche Richten des Geschützes sichergestellt wurde. Der Ausbau der Stellung erforderte einen erheblichen Aufwand. Das Richten der Waffe in dieser Konstruktion war sehr aufwändig und die Genauigkeit sehr stark eingeschränkt. Der Bau einer kompletten Batteriestellung dauerte 23 Tage – somit war diese Lösung nur für stationär entfaltete Flakbatterien nutzbar.
Ähnlich in den Armeen anderer kriegsführender
Staaten entstanden verschiedene Formen von Turmlafetten, bei
denen das Feldgeschütz auf einen drehbaren Sockel gesetzt wurde.
Die Behelfslafette von Gwozdew war eine der ersten
Turmlafetten und wurde erstmalig durch Batterien von 15.
Artillerie-Brigade und der
IV. Artillerie-Abteilung eingesetzt. Die Gwozdew Lafette bestand aus
einem hölzernen Pfahl, der in der Erde vergraben war, drei Reihen
von Schwellen (oder Platten) quergelegt und zwei langen parallelen
Balken die miteinander verbunden wurden durch vier eiserne Riegel.
Gerichtet wurde das Geschütz ausschließlich mit Muskelkraft. Das
System wurde mehrfach verbessert und bis 1925 genutzt.
Ende 1916 entwickelte der Techniker Magy die
Idee die Räder der Kanone auf das gleichartige Fahrgestell der
Protze aufzusetzen. Zwischen den Rädern wurde ein Paar
Kreiszylinder gelegt. Eisenstange verbanden beide Achsen. Diese Lösung
hatte den Vorteil, dass innerhalb von 45 Minuten die
Feuerbereitschaft aus der Marschlage hergestellt werden konnte.
Insgesamt war das System jedoch sehr instabil und bewährte sich
nicht in der Feuerführung. Darüber hinaus wurden bei der Truppe
die verschiedensten Behelfskonstruktionen entwickelt und eingesetzt.
Sie alle hatten jedoch den Nachteil, dass sie oft nur mit einem
erheblichen Aufwand errichtet werden konnten. Ein Stellungswechsel
der Feuerbatterie in kurzer Zeit war nicht möglich, so dass
derartige Konstruktionen oft nur für stationäre Flak-Batterien
verwendet wurden.
Die einzige Lösung, die sich bewährte,
war die Iwanow-Lafette, die 1916 erstmals in der
Artillerie-Werkstatt Odessa gebaut wurde. Das System bestand im
Wesentlichen aus einem sehr stabilen demontierbaren Metallkasten auf
dessen oberen Boden sich ein Metallring (Schiene) be-fand. Dort
aufgesetzt war ein mit vier Rollen verse-hener Drehkranz mit
Halterungen für die Räder des Geschützes Mit Lafette konnten die 76-mm-Geschütze
obr.1900, 1902 und 1897 (französische FK, aufgebohrt auf 76,2 mm)
als Flak-Geschütze eingesetzt werden, am Besten war jedoch die 76
mm Kanone obr. 1902 aufgrund der einfachen Anpassung geeignet. Mit
dem System konnten für die damalige Zeit sehr schnell, in 5- 10
Minuten die Überführung aus der Marsch- in die Gefechtslage
erreicht werden. Nacheilig war, wie bei allen Behelfslafetten; der relativ geringe Höhenrichtwinkel. Mit der Iwanow-Lafette
konnte ein Höhenrichtwinkel von 56° erreicht werden. Die wesentlichsten Mängel dieser Systeme war die fehlende Mobilität, der Mangel an wirksamer Flak-Munition
sowie fehlenden Ziel- und Feuerleiteinrichtungen. Zwischenzeitlich hatten Ingenieur
Lender und Major Tarnowskij das 76,2 mm Flak-Geschütz überarbeitet.
Hinsichtlich der Lafettierung konnten sie auf die Entwicklung von Lafetten für
die bereits bei den Festungsbesatzungen im Einsatz befindlichen 76,2
mm Schnellfeuergeschütze anknüpfen, die über Pivot-Lafetten verfügten.
Im August 1914 hatte die Artilleriekommission zunächst
erst einmal 12 Geschütze zu Testzwecken bestellt. Die ersten
4 Geschütze, wurden Anfang Februar 1915 fertiggestellt und im März
erfolgreich auf dem Artillerie-Polygon getestet. Die ersten vier
Flak-Geschütze wurden zur Luftverteidigung von Zarskoje Selo
abkommandiert, eigentlich weder ein militärisches noch ein
administratives Ziel, denn der Zar hielt sich dort während des
Krieges so gut wie nie auf. Mit weiteren Geschütze, die ebenfalls
1915 fertiggestellt wurden, wurde die
erste mobilen Flakbatterien gebildet, die in der Nähe
von Warschau zum Einsatz kam. Dazu waren die Geschütze auf 5t LKW
montiert worden.Eine weitere Batterie wurde im Juni 1916 aufgestellt und kam bei Lutsk zum Einsatz. Die Flak erhielt die Bezeichnung 76,2 mm Flak obr. 1914 hatte einen Erhöhungswinkel von bis 65°. Als dann die Marine 1915 bei den Putilow-Werken weitere Geschütze orderte, erhielten diese einen Erhöhungswinkel bis zu 75° und die Bezeichnung obr. 1914/1915. Die Produktion lief jedoch relativ langsam erst seit 1916. Die Produktion lief dann fast unverändert bis 1920. Die 76-mm-Flak obr.1914/1915 Jahr war im 1. Weltkrieg in Russland das einzige, ausschließlich zur Bekämpfung von Luftzielen vorgesehene System. Die 66 Geschütze kamen dabei wie folgt zum Einsatz: ·
36 Geschütze (9 Flak-Batterien) waren auf LKW basiert ·
10 Geschütze befanden sich im Bestand von
10 Eisenbahnbatterien Mit der Aufstellung derartiger
Batterien wurden 1917 begonnen. Diese Batterien waren mit
verschiedenen Artilleriewaffensystemen ausgerüstet und dienten vor
allem zur Sicherung von Schienenknoten. ·
12 Geschütze waren auf beweglichen Lafetten montiert und
wurden durch die erste, zweite und dritte berittene Flakbatterie,
die jeweils 1917 aufgestellt wurden, eingesetzt. ·
8 Geschütze wurden in Zarskoje Selo und in der
Artillerie-Offiziersschule als fest versockelten
Flak-Batterien stationiert.
Bis
zur Oktoberrevolution wurden 247 Flak-Batterien (ohne
die des Küstenschutzes) aufgestellt, die 967 Kanonen 76-mm im Bestand
hatten. Dabei konnten die Flakbatterien einen Bestand von 2 bis zu
12 Geschützen haben. Insgesamt waren in den Flakbatterien folgende
Systeme eingesetzt: ·
76 x 76-mm-Geschütz obr.1914/1915 (System Lender) ·
eine französische 75-mm-Kraftwagen Flak
·
32 x 75 mm Geschütz L/50 (überarbeitetes Marine Geschütze) ·
96 x 76 mm Feldgeschütze obr. 1902 auf Iwanow-Lafette ·
762 x 76 mm Kanone obr. 1900 Die 76-mm-Flak obr. 1914 erwies sich ebenso wie Flakgeschütze anderer Armeen im Kaliberbeich zwischen 75 - und 88-mm als recht wirksames Mittel zur Bekämpfung von Flugzeugen in Einsatzhöhen von 1.000-3.000 m, die typisch waren für Flugzeuge jener Zeit. Die Taktik des Einsatzes
der Flak-Batterien war darauf beschränkt, in unmittelbarer Nähe zum
des Deckungsobjektes 2-3 Batterien zu entfalten. Als relevante
Deckungsobjekte wurden für die wichtige Stäbe, Fähren,
Eisenbahnknotenpunkte und Konzentrationspunkte für die Truppen
angesehen. Die Flak war in Batterien und Zügen organisiert, die
den Feldartillerie-Brigaden zugeordnet waren. Zur Deckung der
Truppen sollten
die Flak-Batterien in zwei Linien entfaltet werden, die erste ca. 1,5 km,
und die zweite bis zu 4 km vom vorderen Graben entfernt. Zwischen
den einzelnen Batterien sollte der Abstand 3-4 km betragen. 1915
wurden die ersten Vorschriften für das Schießen auf Luftziele
erstellt. Demnach sollten Zielentfernung, Geschwindigkeit und
erforderlicher Vorhalt geschätzt werden und durch ein Geschütz
analog der Feldartillerie das Einschießen erfolgen. Diese Methode
bewährte sich nicht und zeigte die Erfordernis spezielle
Entfernungs- und Winkelmesser sowie Tabellen zur Bestimmung der
Schießwerte zu entwickeln und einzuführen.
Das Schießen nach Tabellen erwies sich am
Genauesten. Zur
Verbesserung der Ergebnisse des Schießens war es notwendig Geräte
zur Ermittlung des Vorhalts zu schaffen. Eines der ersten derartigen
Geräte schlug J. N. Perepjolkin vor, dass vom Ingenier-Leutnant |
Quellen
:
Fotos: Ralf Wagner 2007 - alle Fotos aus dem Artilleriemuseum in St. Petersburg Zeichungen: Artillerie, Kapitel 13 "Feind in der Luft", Verlag des Verteidigungsministeriums 1938 Anderson/Droschin/Losik - "Die Luftabwehr der Landstreitkräfte" Militärverlag der DDR, 1981 Alexander Shirokograd: "Halbautomatische Flugabwehrkanonen" Technik i Woorushenije,1996 |